Welch ein Weg!

Als ich etwa 8 Jahre alt war, kam die Sehnsucht nach den Pferden. Meine Mutter brachte mich in einen Pferdestall. Und da stand ich nun. Ich machte die Bekanntschaft – und das sollte einige Jahre so bleiben – mit dem Versuch Erwachsener, Kavallerie-Erziehung und Kavallerie-Ton auf Kinder herunterzubrechen.
Dann zogen wir um. Die Sehnsucht blieb. Wieder ein Stall, keine 10 Schritte von unserem Haus entfernt. Wieder das Kavalleriespiel.

Aber ein älterer Mann, ein wirklich Kavallerist Gewesener, nahm sich meiner an. Vielleicht kann ich hier bei diesem Bericht, in dem es eigentlich um Nancy Franke gehen soll, Helmut Ratsch aus Weißensee/Thüringen ein Denkmal setzen. Er fuhr ein ganz simples LPG-Gespann, tagtäglich transportierte er Futtermittel durch das Städtchen. Zum Feierabend trappelten die beiden schweren Warmblüter Rico und Panther, Oldenburger Rappen des alten Schlages, an unserem Haus vorbei. Und dann stürzte ich runter und rüber.
Helmut Ratsch brachte mir viel bei, ich spannte aus und ein, half, wo immer möglich, fuhr mit Kutsche über Land, wenn es zum Turnier ging: denn dort war „Sportfreund Ratsch“ der traditionelle Tandem-Schaureiter. Natürlich mit den beiden LPG-Rappen. Rico und Panther, tja, sie sind schon lange im Pferdehimmel. Auch ihnen setze ich ein Denkmal.

So, nun aber schnell weiter, ich möchte gerne bei Nancy ankommen. Damals – inzwischen war ich um die 15 – ahnte ich nicht, daß ich jemals in meinem heutigen Glück ankommen könnte. Viele Jahre begleitete mich das Problem, daß eine Riesenkluft herrschte zwischen den Pferdemöglichkeiten und meiner Sehnsucht. Eigenartigerweise wußte ich unterbewußt immer, was mich fasziniert an den Pferden und am Umgang und am Reiten: es ist das etwas introvertierte Wesen, diese große Aufmerksamkeit, dieses Ganz-da-sein. Und beim Reiten ist es nicht der Reitsport, nein, es fasziniert mich hier eher die künstlerische Ausstrahlung: des Pferdes, der Partner Mensch-Pferd, der Bewegungen, der Haltung. Da ich selber im künstlerischen Bereich musikalisch tätig bin, weiß ich, daß dies nur mit ‚Durchlässigkeit’ eine wirkliche, schöne, freie Kunst werden kann. Aber das wußte ich damals noch nicht. Ich erlebte alle Facetten des Reitsportes vom Ausbinder bis zum kurzen, energischen Ruck an der Trense, um das Pferd zu disziplinieren. Und natürlich Abteilungsreiten. Und ich grübelte zeitlebens, was das denn nun eigentlich ist: die halbe und ganze Parade. Und ich bekam sehr, sehr, sehr viel falsche Sachen beigebracht.

Und dann ging die Sehnsucht in den Winterschlaf. Etwa 20 Jahre lang. Mit 40 klopfte sie an meine Seelentür, brachte sich in Erinnerung, schubste und sagte „Komm, es wird Zeit!“

Nun – inzwischen in Berlin – suchte ich aber richtig, Einzelunterricht war selbstverständlich. Und um es kurz zu machen, nach zwei „Vorversuchen“ und einigen Glücksbegegnungen, die mich aufmerksam machten auf das ‚klassische Reiten mit feinen Hilfen’ (Denkmal für Yvonne Dzubasz in Hoppegarten und Familie Grefermann in Hamerstoft!) landete ich bei Nancy.

Das war genau vor einem Jahr. Inzwischen haben mein Mann und ich seit Juli ein Pferd, und ich tanze mit Zarah, der Welsh-Cob-Stute, über den Platz in Ausübung unserer Kunst, in Freude am Leben und am Schönen und am Zusammensein. Zarah schnaubt ab, ich auch.

Es ist kaum zu beschreiben, was für ein Leben aufbrach, seitdem ich Unterricht in Pferdeumgang, Bodenarbeit und Reiten bei Nancy habe. Es gibt so furchtbar viel zu reparieren von damals. Aber wir haben Zeit. Wir nehmen sie uns einfach. Das ist eine der wichtigsten Erfahrungen dieses Unterrichtes: ich bin langsam, ich muß und will es sein, um über jeden Schritt nachzudenken, selbst über das Lockersein ... Und Nancy kommt mit mit diesem langsamen Tempo. Und wir wissen: eine Chance auf einen gesunden Neuanfang und aber auch einen wirklichen Weg hin zu dem Traum ‚Reiten in Harmonie’ haben wir nur in dieser Langsamkeit, im Neusortieren von Knochen, Gedanken, Muskeln. Und wenn für mich Schrittreiten zum ‚Reiten in Harmonie’ wird, dann ist es gut so. Und es wird weitergehen, dessen bin ich mir sicher. Wohin? Keine Ahnung. Es wird schön werden, weil es jetzt schon schön ist, das weiß ich.

Mein Bericht ist vielleicht ganz anders als der von anderen, die bei Nancy im Unterricht sind. Ich wollte Sie und Euch Leser ein wenig hineinführen in – wie ich vermute und befürchte – einen typischen Weg einer Reiterbiographie.

Und mit meinem heutigen Horizont, nach hinten und nach vorne, möchte ich jedem, der sich hier angesprochen fühlt, ganz viel Mut machen
- nicht aufzugeben, den wundervollen Weg mit Pferden zu gehen,
auch wenn Du Dich vielleicht durch eine ähnliche Biographie „ganz verkorkst“ fühlst;
- anzufangen mit der Bekanntschaft mit Pferden, wenn die Sehnsucht Dich ruft, egal in welchem Alter;
- das Notwendige zu investieren, um einen konsequenten Weg zu gehen, der Mensch und Pferd gut tut;
- Kindern durch eine sensible Herangehensweise an das Pferd und das Reiten das zu vermitteln,
was ihnen für ihr ganzes Leben dienen kann und sie zu lebendigen, aufmerksamen und frohen Wesen dieser Erde machen kann.

Nancy Franke wird jedem helfen, der auf der Suche ist!

November 2007

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MLvdS
S. Ludwig und Flantan, Welsh x Reitpony Wallach